Auf dem "Irrweg"
Wir kennen es alle, dass gewisse Meinungen in unserer Gesellschaft aufeinanderprallen und zueinander in einem unversöhnlichen Gegensatz stehen. Während die einen meinen, dass Corona eine harmlose Geschichte sei, die hochgespielt wurde, kann man den anderen gar nicht genug Polizisten ins Badezimmer stellen, die das Händewaschen kontrollieren sollen.
Auf dem "Irrweg"
Wir kennen dasselbe Phänomen mit Trump, mit dem Brexit, mit der EU generell, mit der Migrationspolitik, mit dem Umgang mit Putin und Erdogan, und sogar mit Bayern München und Jogi Löw, eigentlich mit allem, was irgendwie von öffentlichem Interesse zu sein scheint.
Vorsichtig formuliert würde ich sagen, dass wir in einem „meinungsstarkem Zeitalter“ leben, in dem wir es darüber hinaus lieben, die Meinungen gerne zu emotionalisieren und deren Legitimation stark über eine Abgrenzungsschiene gegenüber anderen Meinungen zu suchen.
Das ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass wir im Tennis eine in vielen Bereichen brüchige und teilweise fast lächerliche Leitkultur eines „Richtigen Tennis“ fast schon fetischisiert aufrecht erhalten.
Die Kehrseite unseres „meinungsstarken Zeitalters“ besteht nämlich darin, dass man auch zu allem eine Meinung haben muss und dass „beruhigende Gewissheiten“ rar geworden sind, die Kehrseite des „meinungsstarken Zeitalters“ besteht ohne Zweifel darin, dass „Gott tot ist“ und wir selbst verantwortlich sind für unsere Entscheidungen.
Wir versuchen uns alle (nicht nur die „Leute“, außer wir zählen uns selbst dazu, zu den „Leuten“) diesem Dilemma so gut als möglich zu entziehen, indem wir es lieben, Meinungen mit viel Passion rauf – und runterzudeklinieren, die ohnehin keinen Einfluss auf irgendetwas haben.
Corona ist da ganz gut, Trump, der Brexit, die EU alles ganz großartig; scheißegal, was wir denken und wie emotional wir es denken, es bleibt ohnehin alles, wie es ist.
Das ist jetzt in unserem persönlichen Tennisumfeld etwas anderes; wenn wir hier einen Unfug denken, dann kommt auch Unfug dabei raus und zwar bei uns persönlich.
Dann verlieren wir eben zum Beispiel unsere Spiele und dies meist gegen „Leute“, die „eigentlich alles falsch machen und gar kein Richtiges Tennis spielen“ oder wir müssen, wenn wir als Vereinsfunktionär tätig sind, uns alle 2 Jahre damit rumschlagen, „einen neuen engagierten Trainer für unseren netten, kleinen Verein zu suchen“ oder wir ärgern uns immer wieder aufs Neue über andere Sisyphus – Spielchen, die wir im Tennis ganz gerne aufführen.
Ich persönlich habe lange gebraucht (wahrscheinlich geht das allen so und wahrscheinlich ist man ganz gut weggekommen, wenn man überhaupt in einem Leben draufkommt, wie das funktioniert), um draufzukommen, wie man mit dem Dilemma des Beraters, der sein ganzes Leben in die Durchdringung eines Lebensbereichs investiert hat und dann auf ein „meinungsstarkes Zeitalter“ trifft, umgehen könnte.
Um es kurz und bündig zu formulieren: wenn man sich nicht damit begnügen möchte, im eigenen Zynismus zu baden, dann muss man sie wieder und wieder predigen jene Erkenntnisse, von denen man meint, dass sie das Leben anderer erleichtern würden aber man muss es auch lernen, zuzulassen, wenn es Jemand gerne „schwerer“ hat in seinem Leben.
Oder noch einmal anders formuliert:
Wer einen Hang zum Pragmatischen, zum Machbaren, zum Umsetzbaren hat, der wird es wahrscheinlich genießen, meine Übersetzungen und Übertragungen dieser Paradigmen ins Tennisleben zu hören, zu lesen, zu erleben und für sich selbst als Anregung ins Kalkül zu ziehen; wer dies nicht hat, möge seinen potentiellen Streit aus der Sicht des Idealistischen, des Utopistischen, des „Schönen und Wahren“ mit anderen führen und mich in Frieden lassen auf meinem „Irrweg“!
Heinz Schwarz